PhV zu Schöntaler Erklärung der CDU
15. Januar 2018
15. Januar 2018
Az. 1811 / 2018 – 02
Der PhV BW unterstützt die Forderungen nach
• Bildungsföderalismus sowie bundesweiter Vergleichbarkeit von Abschlüssen,
• der zentralen gestaltenden Rolle der Lehrkraft,
• unterrichtlicher Methodenvielfalt statt Methodeneinseitigkeit,
• einer Aufwertung von Inhalten und Wissen neben der Kompetenzorientierung,
• Disziplin, gegenseitigem Respekt und Konzentrationsfähigkeit.
Der PhV BW kritisiert die Forderungen nach
• Präsenzpflicht für Lehrkräfte an den Schulen,
• verpflichtenden Fortbildungen in der unterrichtsfreien Zeit.
Der PhV BW bekennt sich zum Bildungsföderalismus in Deutschland, fordert jedoch von der KMK die Verständigung auf vergleichbare Standards zum Beispiel beim Abitur, um der gegenwärtigen Ungerechtigkeit beim Hochschulzugang entgegenzuwirken.
Nicht erst seit der Hattie-Studie wissen wir, dass der gestaltenden Rolle der Lehrkraft eine zentrale Bedeutung für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler zukommt. Gerade für leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler erweist sich das selbstorganisierte Lernen als Irrweg. Die Lehrkraft organisiert, gestaltet und verantwortet den Unterricht, den er/sie schülerorientiert und schüleraktivierend anlegt. Der Begriff „Frontalunterricht“ ist zum pädagogischen Kampfbegriff und damit untauglich geworden. Ein breit gefächertes Methodenrepertoire muss Teil der Professionalität unserer Lehrkräfte sein. Das zentrale Qualitätskriterium von Unterricht muss der Unterrichtsertrag, also der Lernzuwachs der Schülerinnen und Schüler sein.
Im Lichte zunehmender Kritik an der Kompetenzorientierung unserer Bildungspläne müssen Inhalte und Wissen wieder stärkere Beachtung finden. Es gibt nun einmal Wissen und Erkenntnisse, die nicht veralten und die als Orientierungswissen lebenslang von elementarer Bedeutung sind.
Und selbstverständlich sind die Grundlage für einen ertragreichen Unterricht (Selbst-)Disziplin, Respekt und Konzentrationsfähigkeit, wie sie übrigens in praktisch allen vor-Ort-Schulleitbildern prominent genannt werden. Die reflexartige Reaktion der vereinigten selbsternannten Reformpädagogen auf die Benennung pädagogischer Binsenweisheiten (die Rede war von „schwarzer Pädagogik“, „Rohrstock-Nostalgie“, „Mottenkiste“ etc.) gibt eine offensichtlich unheilbare traumtänzerische Realitätsferne zu erkennen, deren Kommentierung sich erübrigt. Das Repertoire der schulgesetzlich verankerten Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen genügt im Übrigen; es muss — wenn notwendig — nur eben auch konsequent angewendet werden.
Der Philologenverband Baden-Württemberg wendet sich gegen „Präsenzpflichten für alle Lehrer, unabhängig von den jeweiligen Deputatsverpflichtungen“, wie es die Schöntaler Erklärung fordert. „Das wäre der Qualität eher abträglich, da an den allermeisten Schulen dieses Landes keine adäquaten Arbeitsplätze für alle vorhanden sind. Die nötige, ruhige Arbeitsatmosphäre, die Lehrkräfte für ihre Unterrichtsvorbereitung und vor allem ihre anspruchsvollen Korrekturen benötigen, finden sie in aller Regel eher in ihrem häuslichen Arbeitszimmer als in ihrer Schule“, so Bernd Saur, der Vorsitzende des Gymnasiallehrerverbandes.
„Die innerschulische Kommunikation zwischen Lehrern, Schülern und Eltern sowie die erforderliche fachliche Kooperation unter Beteiligung aller“, wie es die Erklärung fordert, hält der Philologenverband für sehr wichtig, bezweifelt aber, dass dafür die Lehrkräfte ständig physisch an der Schule präsent sein müssen. „Die heutigen Konstellationen sind völlig ausreichend. Lehrkräfte sind durch die Einführung des achtjährigen Gymnasiums sowieso sehr viel mehr präsent als früher, und so findet sich nicht zuletzt durch Kooperationszeiten immer die Zeit, sich intensiv mit den Kolleginnen und Kollegen der Schule auszutauschen und zu kooperieren. Auch für den Kontakt zu den Schülern und Eltern ist genügend Raum. Die Lehrkräfte gehen auf individuelle Gesprächsterminwünsche ein und beraten alle Beteiligten bedarfsgerecht und professionell“, so Saur weiter.
Der Philologenverband begrüßt, dass die CDU Baden-Württemberg in ihrer Schöntaler Erklärung die Bedeutung von guten Weiterbildungsangeboten hervorhebt. Der Philologenverband setzt sich seit vielen Jahren für qualitativ hochwertige fachwissenschaftliche, didaktische und pädagogische Fortbildungen auf universitärem Niveau ein. Allerdings müsste dazu der Fortbildungsetat, der in den letzten Jahren permanent gekürzt wurde, massiv erhöht werden.
„Qualität in der Fortbildung ist nicht zum Nulltarif zu haben. Man muss sich nur anschauen, wie viel Geld die Unternehmen in die Hand nehmen, um ihre Mitarbeiter fortzubilden“, so Bernd Saur: „Wir sind allerdings gegen verpflichtende Fortbildungen. Ich kenne viele gymnasiale Lehrkräfte, die sich zu einer Fortbildung anmelden möchten, aber es auf Grund der begrenzten Mittel eine Teilnehmerauswahl gibt, und sie gar nicht zugelassen werden. Fortbildungen in der unterrichtsfreien Zeit zu fordern, ist ebenfalls nicht zielführend, da die Kapazitäten der Akademien und Fortbildungszentren gar nicht ausreichen würden.
Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass gymnasiale Lehrkräfte ohnehin weit mehr arbeiten als sie müssten. Da gibt es genügend Studien, und dabei ist die unterrichtsfreie Zeit schon mit eingerechnet. Der Deutsche Philologenverband führt übrigens gerade die erste deutschlandweite, wissenschaftlich begleitete Arbeitszeituntersuchung von gymnasialen Lehrkräften durch. Die Frage ist, was die CDU zu tun gedenkt, sollte das Ergebnis auch dieser Studie sein, dass die gymnasialen Lehrkräfte weit mehr arbeiten als die für Beamte festgeschriebene Wochenarbeitszeit von 41 Stunden. Da könnte sich für die Landesregierung ein massiver Handlungsbedarf ergeben.“
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An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden über 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt über 8.700 im Verband organisierte Lehrerinnen und Lehrer an den 446 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes. Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort für die Interessen der rund 27.000 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.