Qualifizierte Lehrerreserve für Krankheitsvertretungen muss in allen Fächern deutlich erhöht werden
26. Januar 2006
26.1.2006 / 1811 — 05–06
Philologenverband Baden-Württemberg bezieht Position zur Lehrereinstellung und Lehrergewinnung 2006
Qualifizierte Lehrerreserve für Krankheitsvertretungen muss in allen Fächern deutlich erhöht werden
- Lehrerberuf muss attraktiver werden / Image-Kampagne reicht nicht / Rahmenbedingungen und Lehrerausbildung sind zu verbessern
- Philologenverband begrüßt gemeinsame Initiative der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Baden-Württemberg, und des Kultusministeriums zur Lehrergewinnung
- Einstellung von Lehrkräften ohne qualifizierte pädagogische Ausbildung lehnt der PhV ab
„Erfreulich ist zwar, dass die Landesregierung ihr Versprechen gehalten und in der nun auslaufenden Legislaturperiode 5.500 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen hat, eine fest installierte und verlässliche Vertretungsreserve von lediglich 250 Lehrer-Deputaten für die insgesamt 371 öffentlichen Gymnasien in Baden-Württemberg reicht aber bei weitem nicht aus“, so der Vorsitzende des Philologenverbandes Baden-Württemberg (PhV BW), Karl-Heinz Wurster. Der Verband der Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien befürchtet, dass trotz dieser Kraftanstrengung nur notdürftig die im Laufe eines Schuljahres auftretenden Löcher in der Unterrichtsversorgung gestopft werden können. Mehr Personal erfordere auch der nach Einführung des G8 zunehmende Ganztagsbetrieb an den Gymnasien des Landes. Selbst bei wieder sinkenden Schülerzahlen dürften deshalb in den nächsten Jahren auf keinen Fall Stellen abgebaut werden. Die Kapazitäten müssen genutzt werden, um die Lerngruppen deutlich zu verkleinern.
„Gebraucht wird eine stabile und sofort verfügbare Lehrerreserve für Krankheitsvertretungen“, mahnt Wurster und fordert für jedes Fach mindestens zwei Lehrkräfte, die im Einzugsbereich eines jeden Gymnasiums sofort für einen Unterrichtseinsatz bei längerem Ausfall durch Krankheit oder Mutterschutzregelung zur Verfügung stehen. Durch verbindliche Zusagen einer späteren Verbeamtung und evtl. Flexibilitätssonderzahlungen könne die Attraktivität einer solchen Stelle erhöht werden.
„Der Lehrer-Markt ist inzwischen nahezu leergefegt“, stellt Verbandschef Wurster unter Hinweis auf die vom KM genannten Fächer Deutsch, Englisch, Mathematik, Physik, Chemie, Latein und Religion besorgt fest. Schulscharfe Ausschreibungen im Internet könnten zwar bei passgenauen Besetzungen regional vakanter Stellen hilfreich sein, seien aber nicht geeignet, das Lehrerangebot auf dem freien Markt zu erhöhen. Wurster: „Hier hilft nur eine Verbesserung des Lehrer-Images und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen an den Schulen.“ Mehrere hundert Lehrerstellen hätten nach Auffassung des Philologenverbandes vor wenigen Jahren gewonnen werden können, wenn in der Grundschule erst in der dritten statt in der ersten Klasse mit der Einführung einer Fremdsprache begonnen worden wäre.
Der Philologenverband begrüßt einerseits Initiativen zur Lehrergewinnung – auch mithilfe des Internet-Portals — , lehnt es aber ab, dass man nun – sogar unter Vernachlässigung der Zugangsvoraussetzungen – auch Assistenten an Universitäten, Lehramtsstudierende und sonstiges Fachpersonal als Lehrkräfte auf dem offenen Arbeitsmarkt gewinnen möchte. „Für den täglichen Einsatz in der Schule mit all den physischen und psychischen Anforderungen müssen Lehrer besonders qualifiziert sein“, fordert Wurster und befürchtet, dass die Schüler die Leidtragenden einer solchen Lehrer-Schnellbleiche seien. Jahrlang habe man auf eine am künftigen Bedarf ausgerichtete und vorausschauende Einstellung gut ausgebildeter und qualifizierter Lehrkräfte entgegen der Warnungen des Philologenverbandes verzichtet, die zwischenzeitlich in andere Berufe ausgewichen seien.
„Ein immer mehr sich ausweitender Ganztagsbetrieb nach Einführung des G8, die arbeitsintensive Umsetzung der neuen Bildungspläne, die Evaluationsvorhaben und zahlreiche Schulentwicklungsmaßnahmen sind ohne eine starke und qualifizierte Personaldecke in a l l e n Fächern nicht machbar“, so Wurster.
Positiv bewertet der Philologenverband Baden-Württemberg, dass Stellen, die während des Schuljahres infolge Elternzeit, Todesfalls, Ausscheidens aus dem Schuldienst oder aus anderen Gründen frei werden, sofort „regulär und dauerhaft im Beamten- oder Angestelltenverhältnis“ wieder besetzt werden können. Begrüßt wird vom Verband auch eine im Rahmen dieses „Stellenkontingents unterjährige Einstellung“ mögliche Aufstockung der Wochenstundenzahl bei Teilzeitbeschäftigten.
Angesichts weiter steigender Schülerzahlen an den Gymnasien müsse eine starke Lehrerreserve eingerichtet werden, mahnt der PhV-Landesvorsitzende und weist auf die immer noch zunehmenden Schülerzahlen an den Gymnasien hin. Im laufenden Schuljahr seien landesweit 37,8 Prozent der Grundschüler auf ein Gymnasium gewechselt (zum Vergleich: 1995 waren es nur 31,5 Prozent). In manchen Städten seien es sogar über 50 Prozent.