Die Hauptschule muss erhalten bleiben
7. März 2007
7.3.2007 / 1811 — 09–07
Die Hauptschule muss erhalten bleiben – auch, um den Bildungsanspruch des Gymnasiums nicht zu gefährden!
Der Philologenverband Baden-Württemberg begrüßt die erneute klare Positionierung des baden-württembergischen Kultusministers Helmut Rau zum mehrgliedrigen Schulsystem und zur Hauptschule als eigenständige Schulart. „Wir sehen in der gemeinsamen Empfehlung von Kultusministerium und kommunalen Landesverbänden (KLV) einen guten Weg zur Stärkung dieser Schulart“, sagte der PhV-Landesvorsitzende Karl-Heinz Wurster. Wurster weiter: „Wir sind für den Erhalt der Hauptschule in einem gegliederten Schulwesen, für ihren Ausbau zu einer echten „Berufsförderschule“ und für den Erhalt des mittleren Bildungsabschlusses in seinem Profil“. Der Philologenverband schlägt einen Umbau der Hauptschule zu einer ‚Berufsförderschule’ mit echtem Ganztagskonzept in enger Kooperation mit Handwerk und Industrie vor, in der Jugendliche frühzeitig in Kontakt zur Berufswelt gebracht werden und die Eingliederung der Heranwachsenden in das Berufsleben kontinuierlich vorbereitet wird.
Dabei sind für den Philologenverband Kooperationsmöglichkeiten zwischen Haupt- und Realschule auf einigen Gebieten sinnvoll und wünschenswert. Der Verband warnt aber zugleich davor, die Hauptschule als „Restschule“ zu bezeichnen und durch ideologisch besetzte Argumente in der Öffentlichkeit zu diskreditieren und damit ihre Akzeptanz zu schmälern. Eine völlig „integrierte Haupt- und Realschule“ wird vom Philologenverband kategorisch abgelehnt, da sich eine solche Schulvariante negativ auf die Leistungsanforderungen der Realschulen auswirken würde, den Schülerstrom auf die Gymnasien verstärken und schließlich dadurch letztlich auch den Bildungsauftrag des Gymnasiums nachhaltig gefährden würde.
Der Philologenverband schlägt zur Erhaltung und Stärkung der Hauptschule – auch unter Berücksichtigung des demographischen Wandels – Folgendes vor:
- Die Hauptschule muss den fortschreitenden gesellschaftlichen und technischen Wandel in ihrem Bildungs- und Erziehungskonzept berücksichtigen und garantieren: außer soliden Deutsch‑, Mathematik‑, Computer- und Englischkenntnissen sind auch vernetztes und vorausschauendes Denken zu vermitteln. Ein solches Konzept kann gerade bei rückläufigen Schülerzahlen und dadurch frei werdenden Lehrer-Ressourcen effizient genutzt werden. Die Lehrer könnten sich dann den Schülern differenzierter zuwenden.
- Die Arbeit der Lehrkräfte muss anerkannt und durch leistungsbezogene zusätzliche Besoldungselemente unterstützt werden.
- Kinder aus bildungsfernen Schichten brauchen eine individuell abgestimmte Förderung durch speziell hierfür geschulte professionelle Lehrkräfte. Für diese Kinder ist die frühe Förderung in einer homogenen Gruppe zusammen mit einem Ganztagsangebot zielführender als eine verlängerte Grundschulzeit oder die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen, in der Frustrationserlebnisse und Demotivation bei Schülern durch den Unterricht in inhomogenen Gruppen verstärkt werden.
- Um eine Fehlleitung von Schülern nach der 4. Grundschulklasse zu verhindern, müssen bei der fachlichen Beurteilung auch die weiterführenden Schulen stärker berücksichtigt werden. Dabei ist die Beachtung des Eignungsgrundsatzes von entscheidender Bedeutung. Für überforderte Schüler muss der Wechsel auf eine andere Schulart noch während der fünften Klasse gewährleistet und auch später noch möglich sein.
- Die personelle Ausstattung der Hauptschulen mit Sozialpädagogen und Beratungslehrern muss sich an diesbezüglichen Forderungen von Experten orientieren und von der Politik umgesetzt werden. Hierfür sind Stellen neu zu schaffen. Eine Umwidmung von Stellen aus finanzpolitischen Spargründen ist zu vermeiden.
- Durch zusätzliche Betreuungskräfte und Lehrerstunden ist die überwiegend auf einen Ganztagsbereich ausgerichtete Hauptschule zu stärken.
- Durch qualifizierte zusätzliche Förderangebote – auch durch einen gezielten freiwilligen Einsatz von Lehrkräften anderer Schularten mit pädagogischer Zusatzqualifikation – muss garantiert werden, dass der Besuch dieser Schulart keine schulische Einbahnstraße wird und der Wechsel auf andere Schularten möglich ist. Es muss gewährleistet sein, dass Schülern dieser Schulart bei entsprechender Schüler-Anstrengung und nachgewiesener Qualifikation Möglichkeiten angeboten werden, auf andere Schularten mit höheren kognitiven Leistungsanforderungen zu wechseln. Damit wird auch sog. Spätentwicklern und leistungswilligen Schülern aus bildungsfernen Schichten eine entwicklungs- und begabungsgerechte Chance der Weiterqualifizierung geboten.