Sicherung des Staatsexamens in der Lehrerbildung
5. April 2006
5.4.2006 / 1811 – 13-06
Philologenverband fordert Einhaltung des Wahlversprechens:
Sicherung des Staatsexamens in der Lehrerbildung
„Der amtierende baden-württembergische Kultusminister gibt die Verantwortung seines Ministeriums für die Lehrerbildung ab, indem er das Staatsexamen streicht. Ausgerechnet in einer Zeit, in der nach PISA Schulen, Schulleistungen und Lehrerbildung stärker kontrolliert, standardisiert und verbessert werden sollen, verzichtet er ohne Not auf das Staatsexamen; worin liegt der Sinn?“, fragt die stellvertretende Landesvorsitzende des Philologenverbandes Baden-Württemberg (PhV BW), Dr. Susanne Lin-Klitzing, und mahnt: „Der Kultusminister riskiert seine bildungspolitische Akzeptanz!“ Die bisherige Analyse des Bologna-Prozesses, der nicht für die Lehrerbildung gedacht war, offenbare einen Flickenteppich unterschiedlicher Lehrerbildungsmodelle, die eine Vergleichbarkeit zwischen den Ländern senken werde.
„Vor der Wahl war es noch klar: Baden-Württemberg bleibt beim bewährten Staatsexamen. Und nach der Wahl? Solch folgenschwere Entscheidungen vor der Wahl anders zu besetzen und sie nach der Wahl im Handstreich zu verändern, erschüttert das Vertrauen in die Kultuspolitik des Landes erheblich“, kritisiert Lin-Klitzing. Das Kultusministerium Baden-Württemberg verliere bei dieser Umstellung auf ausschließlich von der Universität zu vergebende Bachelor- und Masterabschlüsse für das Lehramt seinen regulierenden und Vergleichbarkeit sichernden Einfluss. Denn: Die Ausbildungs- und Prüfungsverantwortung geht mit Bachelor- und Master-Studiengängen auf autonome Hochschulen über, das erste Staatsexamen wird durch ein Universitätsexamen ersetzt. Die Folge sei: „Ein anschließendes Referendariat ist damit nicht mehr verpflichtend gewährleistet.“ In Zeiten bereits existierenden und noch kommenden Lehrermangels ist dies nach Auffassung der stellvertretenden PhV-Landesvorsitzenden Lin-Klitzing zurzeit die denkbar schlechteste Variante, den Lehrberuf attraktiv zu gestalten und beizeiten für den notwendigen Nachwuchs zu sorgen.
„Anpassung an ungeprüfte Verfahren der Lehrerausbildung sollten in Baden-Württemberg nach der Wahl nicht zum Standard werden. Das Staatsexamen muss gesichert bleiben“, fordert Lin-Klitzing Kultusminister Rau auf und nennt Gründe für diese Position: „Die Fragwürdigkeit einer Umstellung auf Bachelor-/Masterabschlüsse für das Lehramt tritt in den Reformversuchen anderer Bundesländer bereits deutlich zutage: Die Module an den Hochschulen und die Vergabe der ECTS-Punkte werden so unterschiedlich gehandhabt, dass ein Studien- oder Studienortwechsel während des Bachelor- oder Masterstudiums geradezu unmöglich erscheint.“ Selbst Professor Heinz-Elmar Tenorth, der in Berlin den Bologna-Prozess für die Lehrerbildung unterstützt, halte es für noch nicht für entschieden, ob dies eine „aufwändige Kreisbewegung“ sei oder im positivsten Falle eine „Spiralbewegung“ werden könne.
Lin-Klitzing weist in diesem Zusammenhang auf einige negative Beispiele hin: Für die ersten überprüften Reformversuche in Nordrhein-Westfalen (Bielefeld und Bochum) gilt, dass sie bisher zu einer einsemestrigen Verlängerung der Studienzeit führten und es wegen der häufigeren Prüfungen zur partiellen Aufhebung der Trennung von Vorlesungszeiten und vorlesungsfreier Zeit kam. Ein Master muss mit 300 ECTS-Punkten abgeschlossen werden. Da dies zu einer Verlängerung des Studiums führt, vergibt Niedersachsen seinen Master bereits mit 240 ECTS-Punkten. Eine neue Ungleichheit statt Standardisierung findet dann bereits in der Ausbildung statt. Dass Baden-Württemberg auf derart ungeprüfte Verfahren bei der Lehrerausbildung setzt, hält Lin-Klitzing für „unverantwortlich“.