Bachelor- und Masterabschlüsse können das Staatsexamen nicht ersetzen

22. April 2008

22.04.2008 / 1811 — 20–08

Zumel­dung des Philolo­gen­ver­ban­des Baden-Würt­tem­berg (PhV BW)
zur Pressekon­ferenz der Grü­nen im Land­tag / 22. April 2008:

Bach­e­lor- und Mas­ter­ab­schlüsse kön­nen
das Staat­sex­a­m­en nicht erset­zen

PhV: Die Zukun­ft des Lan­des durch best­mögliche Lehrerbil­dung sich­ern!

“Wir brauchen keine neuen Lehrerin­nen und Lehrer, son­dern eine best­mögliche Lehrerbil­dung mit einem 1. und 2. Staat­sex­a­m­en, wom­it ein hohes Maß an fach­lich­er Kom­pe­tenz, Pro­fes­sion­al­ität und Eig­nung für den Lehrerberuf bescheinigt wird; ins­beson­dere die Fachkom­pe­tenz muss durch ein Studi­um mit dem Abschluss eines Staat­sex­a­m­ens an ein­er Uni­ver­sität erwor­ben wer­den”, so der Lan­desvor­sitzende des Philolo­gen­ver­ban­des Baden-Würt­tem­berg, Karl-Heinz Wurster. Schulpoli­tis­che Exper­i­mente, die das Abitur an den Gym­nasien entwerten, wer­den vom Philolo­gen­ver­band abgelehnt. Ein “Ein­heit­slehrer in einem Ein­heitss­chul­sys­tem”, aber auch eine von Poli­tik­ern gewollte Angle­ichung eines qual­i­ta­tiv hochw­er­ti­gen akademis­chen Abschlusses an weniger erfol­gre­iche und qual­i­ta­tiv schlechtere Bil­dungssys­teme ander­er Län­der hätte für eine führende Wirtschaft­sna­tion mit der Zielset­zung höch­ster Qual­ität und Leis­tungs­fähigkeit ver­heerende Fol­gen”, warnt Wurster und fragt: “Oder sollen wir uns zum Beispiel bezüglich der Export­sta­tis­tik etwa auch anderen Län­dern anpassen?” Der Philolo­gen­ver­band schlägt vor, dass die Uni­ver­sitäten für die Lehrerbil­dung Ringvor­lesun­gen über die Stoffe der Lehrpläne organ­isieren und so die Sem­i­nare bei Auf­gaben ent­las­ten, für die sie eigentlich nicht da sind.

Auch deshalb ist der Philolo­gen­ver­band für die Beibehal­tung des Staat­sex­a­m­ens: Bei ein­er Umstel­lung der Lehrerbil­dung auf auss­chließlich von der Uni­ver­sität vergebene Bach­e­lor- und Mas­ter­ab­schlüsse würde der Staat seinen reg­ulieren­den und Ver­gle­ich­barkeit sich­ern­den Ein­fluss ver­lieren: Die Aus­bil­dungs- und vor allem die Prü­fungsver­ant­wor­tung gin­ge auf die Hochschulen über, das 1. Staat­sex­a­m­en für ein Lehramt würde durch ein Uni­ver­sität­sex­a­m­en erset­zt. Nach Auf­fas­sung des Philolo­gen­ver­ban­des beste­ht dann auch die Gefahr, dass der Vor­bere­itungs­di­enst wegfällt.

Für den PhV ist nicht nachvol­lziehbar, warum die Grü­nen den Bach­e­lor als “Chance zu ein­er grundle­gen­den inhaltlichen Reform der Lehrerbil­dung” nutzen wollen, welch­er für die kün­fti­gen Lehrer aller Schu­larten “über­wiegend die Grund­la­gen für die Tätigkeit des Lehrens ver­mit­telt”. Wenn erst danach eine “ein­jährige Prax­is­phase und erst zulet­zt in unter­schiedlichen Mas­ter­stu­di­engän­gen die inhaltliche Aus­rich­tung nach Schu­lart und Schul­stufe fol­gen sollen, würde das vere­in­facht heißen: erst kommt die Päd­a­gogik, dann die Prax­is ohne Inhalte und zulet­zt das Fach­studi­um, das schließlich die Voraus­set­zun­gen für einen fach­di­dak­tisch reflek­tierten Unter­richt liefert. Selb­stver­ständlich kön­nen Meth­o­d­en und Ziele ein­er kindgerecht­en Ver­mit­tlung erst auf der Grund­lage fach­lich­er und sach­lich­er Klarheit entwick­elt und erprobt wer­den; dass jedoch das “Ler­nen auf Vor­rat”, also ohne inhaltlichen Kern, längst als die erfol­glos­es­te Form jedes Ler­nens bekan­nt ist, scheint den Anhängern dieses Ansatzes fremd zu sein.

Und noch etwas sollte nach Auf­fas­sung des Ver­ban­des zur Ken­nt­nis genom­men wer­den: Ger­ade auch die an den Gym­nasien unter­rich­t­en­den Lehrerin­nen und Lehrer haben entschei­den­den Anteil an der Her­aus­bil­dung der Leis­tungselite unseres Lan­des und sein­er wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kul­turellen Führungsstel­lung. Eine Umstel­lung des Bil­dungssys­tems im Sinne ein­er “Angle­ichung” an einen schlechteren gemein­samen europäis­chen Stan­dard stellt keinen akzept­ablen Par­a­dig­men­wech­sel dar. Ziel unseres Bil­dungssys­tems muss es sein, die Zukun­ft des Lan­des durch die best­mögliche Bil­dung zu sich­ern.

Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg set­zt sich für die Beibehal­tung des Staat­sex­a­m­ens ein und ist gegen eine Umstel­lung auf das Bach­e­lor-Mas­ter-Sys­tem. Dies­bezüglich weist der Philolo­gen­ver­band auf fol­gende Punk­te beson­ders hin:

  • Das deutsche Sys­tem der Lehrerbil­dung war und ist im inter­na­tionalen Ver­gle­ich leis­tungs­fähig und erfol­gre­ich, trotz Unter­fi­nanzierung und par­tieller Reformbedürftigkeit.
  • Der akademis­che Bach­e­lor v.a. im angloamerikanis­chen Bere­ich stellt eine dem deutschen Abiturkön­nen nahe Qual­i­fika­tion dar, weil die entsprechen­den High School- und Col­lege-Stufen der gym­nasialen Ober­stufe in allen Belan­gen unter­legen sind.
  • Die Gym­nasiallehrerschaft hat entschei­den­den Anteil an der Her­aus­bil­dung der Leis­tungselite unseres Lan­des und sein­er wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kul­turellen Führungsstel­lung.
  • Die Umstel­lung des Bil­dungssys­tems im Sinne ein­er “Angle­ichung” an einen schlechteren gemein­samen europäis­chen Stan­dard stellt keinen akzept­ablen Par­a­dig­men­wech­sel dar. Es gilt das Ziel zu ver­fol­gen, die Zukun­ft des Lan­des durch die best­mögliche Bil­dung zu sich­ern.
  • Der europäis­che Anpas­sung­sprozess (Bologna) ver­langt kein Bach­e­lor-Mas­ter-Sys­tem für die Lehrerbil­dung. Er wird aber bei uns dazu miss­braucht, um Kosten zu sparen und die Aus­bil­dung zu beschle­u­ni­gen um den Preis erkennbar­er Qual­itäts­min­derung.
  • Der gestufte und mod­u­lar­isierte Stu­di­en­gang des Bach­e­lor-Mas­ter-Studi­ums ist für die Lehrerbil­dung unangemessen und schädlich. Eben­so schädlich ist der Rück­zug des Staates aus dem wis­senschaftlichen Teil der Lehrerbil­dung. Das öffentliche Bil­dungswe­sen muss die fach­liche und fach­wis­senschaftliche Qual­ität sein­er Lehrer ver­ant­worten und kon­trol­lieren.
  • Die Bach­e­lor-Mas­ter-Stu­di­engänge stellen eine bürokratis­che Ver­schwen­dung wichtiger Per­son­al­res­sourcen dar und unter­graben sowohl die Finanzierung wie die Qual­ität der Bil­dung.
  • Gemessen an der erforder­lichen Fach- und fach­wis­senschaftlichen Kom­pe­tenz der Gym­nasiallehrer stellt ein sechsse­mes­triger Abschluss nichts anderes dar als einen “Bach­e­lor für den Mülleimer”.
  • Ein Bach­e­lor-Abschluss als Basisqual­i­fizierung für alle Lehrerberufe verken­nt völ­lig den struk­turellen Auf­bau der Lehrerbil­dung, er fördert Ver­mit­tlungskom­pe­tenz, bevor es etwas zu ver­mit­teln gibt, er prak­tiziert ohne Inhalte, er lässt das Gel­ernte vergessen, weil es nicht angewen­det wer­den kann. Er stellt die Lehrerbil­dung auf den Kopf statt auf die Beine.
  • Wir brauchen eine Renais­sance der Fachkom­pe­tenz in der Lehrerbil­dung.
  • Die amerikanis­chen Uni­ver­sitäten wen­den sich vom Bach­e­lor ab, weil er zu ober­fläch­lich ist.

www.phv-bw.de

Down­loads:
Pressemit­teilung als Word-Doku­ment
Bild des PhV BW-Vor­sitzen­den Karl-Heinz Wurster

 

 

 

 

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