Kritik und Zustimmung an CDU-FDP-Koalitionsvereinbarung halten sich die Waage
5. Mai 2006
5.5.2006 / 1811 — 17–06
Philologenverband Baden-Württemberg bezieht Position:
Kritik und Zustimmung an CDU-FDP-Koalitionsvereinbarung halten sich die Waage
„Wir sehen in der vorliegenden Fassung der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP viele positive Vorhaben und Ansätze, die bildungs- und gesellschaftlichen Forderungen Rechnung tragen, allerdings vermissen wir deutliche Aussagen zum künftigen Stellenwert der verschiedenen Schularten und zur Verbesserung der schulischen Rahmenbedingungen mit immer noch zu großen Klassen“, so der Landesvorsitzende des Philologenverbandes Baden-Württemberg (PhV BW), Karl-Heinz Wurster. Eine künftige Landesregierung, die das Thema „Bildung“ als Schwerpunkt auf ihre Fahnen geschrieben hat, müsse deutlicher Farbe bekennen und dürfe angekündigte und mit Kosten verbundene Vorhaben nicht durch Einsparungen auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer realisieren – zum Beispiel durch Mehrarbeit und Verlängerung der Lebensarbeitszeit.
Der Philologenverband begrüßt die beabsichtigte Einrichtung von offenen Ganztagsangeboten für alle Schularten, fordert aber für die Gymnasien, die inzwischen nach der Einführung des G8 immer mehr zu Ganztagsschulen werden, grundsätzlich die gleiche Ausstattung wie sie für den Ganztagsbetrieb der anderen Schularten vorgesehen ist. Kritisch gesehen wird vom Philologenverband der Einsatz ehrenamtlich arbeitender Jugendbegleiter. „Wir vermissen bei der Ganztagsbetreuung ein klares pädagogisches Konzept“, so Wurster.
Der Philologenverband begrüßt, dass die durch den prognostizierten Schülerrückgang frei werdenden Stellen im Bildungsbereich bleiben sollen, fordert aber, dass diese in der Schulart Gymnasium zur Senkung des Klassenteilers sowie für Unterstützungs- und Fördermaßnahmen verbleiben. Eine „unterjährige“ Pensionierung lehnt der Verband aus pädagogischen und schulorganisatorischen Gründen ab. „Wie will eine künftige Landesregierung die dann benötigten Lehrer angesichts des in vielen Fächern bereits herrschenden Fachlehrermangels mitten im Schuljahr plötzlich aus dem Hut zaubern“, fragt PhV-Landesvorsitzender Wurster. „Das geht an der Schulrealität völlig vorbei!“
Abgelehnt wird vom Philologenverband eine mögliche Ausdehnung verpflichtender Präsenzzeiten für Lehrkräfte an den Schulen. „Unter den gegebenen schulischen Verhältnissen würde eine Anwesenheitspflicht von Lehrern bis in den Nachmittag hinein an den zumeist äußerst dürftig ausgestatteten Arbeitsplätzen in der Schule mit einer noch stärkeren Verlagerung der Arbeit in die Abendstunden und an Wochenenden die Folge sein und zur Verlängerung der Wochenarbeitszeit führen; das lehnen wir ab – auch aus arbeitsmedizinischen Gründen“, so Verbandschef Wurster.
Kritisiert wird vom Verband die Ankündigung im Koalitionspapier, dass eine „nennenswerte Verlängerung der tatsächlich geleisteten Lebensdienstzeit“ angestrebt werde, die hierdurch erzielten Einsparungen überwiegend dem Haushalt zugute kommen, aber nur teilweise für Fördermaßnahmen – wie zum Beispiel Weiterbildung, Arbeits- und Gesundheitsschutz der Lehrerschaft – eingesetzt werden sollen. Begrüßt wird zwar, dass Teilzeit, Teildienstfähigkeit und Altersermäßigung „zu wirkungsvollen Instrumenten“ entwickelt werden sollen, doch „was versteht die Koalition unter ‚besonderer Berücksichtigung spezifischer Belastungen’ und ‚differenzierter Verlängerung der Lebensarbeitszeit’ “, fragt Wurster und stellt fest: „Alle Ergebnisse arbeitsmedizinischer Untersuchungen zeigen, dass der Lehrerberuf mit besonderen Belastungen und gesundheitlichen Risiken verbunden ist, die bei Modellen zur Lehrerarbeitszeit zu berücksichtigen sind.“
Ausdrücklich begrüßt der PhV die Ankündigung, dass bis 2012 die erforderlichen 16.000 zusätzlichen Studienanfängerplätze schrittweise bereitgestellt werden sollen. Zugleich warnt der Verband davor, künftig Lehramtsreferendare im Angestelltenverhältnis zu beschäftigen. Damit werde schrittweise ein Signal gesetzt, den Beamtenstatus für Lehrerinnen und Lehrer abzuschaffen. „Der Lehrernachwuchs braucht Perspektiven und die Schule braucht Verlässlichkeit, die nur durch den Beamtenstatus gewährleistet wird.“
Über die Einrichtung eines Pensionsfonds äußert sich der Verband positiv. „Wir fordern eine solche Rücklage schon seit den 70-er Jahren und sind selbstverständlich an einer verlässlichen Sicherung der Pensionen interessiert, im Übrigen freuen wir uns auf einen konstruktiven Meinungsaustausch mit der neuen Landesregierung “, so Wurster abschließend.