Ganztagsschulbetrieb erfordert pro Schule mindestens vier bis fünf zusätzliche Lehrerstellen
26. Oktober 2005
26.10.2005 / 1811 — 33–05
Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW):
Ganztagsschulbetrieb erfordert pro Schule mindestens vier bis fünf zusätzliche Lehrerstellen
„Es ist ganz in unserem Sinne, dass für jedes Kind eine Ganztagsschule in erreichbarer Nähe sein soll; das bedeutet aber auch, dass das Land für eine professionelle und qualitativ hochwertige pädagogische und personelle Ausstattung sorgen muss. Wir vermissen bislang klare Aussagen über den hierfür zusätzlich benötigten qualifizierten Lehrerbedarf und über eine sach- und fachgerechte Ausstattung der Lehrerarbeitsplätze an den Schulen, die auch arbeitsmedizinischen Ansprüchen Rechnung trägt“, so der Landesvorsitzende des Philologenverbandes Baden-Württemberg (PhV BW), Karl-Heinz Wurster, zum beschlossenen Programm „Chance durch Bildung – Investitionsoffensive Ganztagsschule“.
„Uns fehlt von der Landesregierung eine offene Berechnung zur Finanzierung zusätzlicher Lehrerstunden, ohne die sinnvolle und differenzierte Unterrichts- und Förderangebote nicht realisierbar sind“, gibt Wurster zu bedenken und erinnert an einen Erlass des Kultusministeriums zum Ganztagsschulprogramm des Landes aus dem Jahr 2002. Damals seien bis zu fünf zusätzliche Unterrichtswochenstunden für eine „offene“ Ganztagsschule und bis zu sieben zusätzliche Stunden für eine „gebundene“ Variante pro Ganztagsschulklasse veranschlagt worden.
Würden etwa 100 von rund 440 Gymnasien einen Ganztagsbetrieb einrichten, sind nach Auffassung des Philologenverbandes bei einer Schule mit 20 Klassen mindestens vier zusätzliche Lehrerstellen nötig, also landesweit allein an Gymnasien insgesamt mindestens 400.
Da es bereits problematisch sei, qualifizierte Lehrer u.a. für die Mangelfächer Mathematik, Physik und Chemie, Informatik und auch für das Fach Latein zu gewinnen, müsse man fragen, woher die zusätzlich benötigten Lehrkräfte für die Ganztagsschulen kommen sollen? Karl-Heinz Wurster: „Schon heute kann der Lehrerbedarf selbst an Gymnasien ohne Ganztagsbetrieb nicht mehr gedeckt werden.“
Wolle man Lehrernachwuchs gewinnen und das Niveau an den Gymnasien erhalten, müsse die Attraktivität dieses Berufs durch bessere Unterrichtsbedingungen mit kleineren Klassen – auch unter Berücksichtigung eines professionell organisierten Arbeits- und Gesundheitsschutzes – und durch Leistungsanreize deutlich erhöht werden.
Kritisiert wird in diesem Zusammenhang, dass es noch immer Unterstufenklassen mit über 30 Schülern gibt, in denen eine differenzierte Förderung selbst unter Verwendung moderner Unterrichtsmethoden nahezu unmöglich ist.
„Die Landesregierung muss endlich auch hier neue Maßstäbe setzen und ohne Wenn und Aber verlässliche Antworten und Lösungen auf die offenen Fragen zu den schulischen Rahmenbedingungen liefern, zumal gerade die Personalsituation an den Gymnasien im Blick auf die laufenden Reformprozesse immer noch unbefriedigend ist“, so Verbandschef Wurster abschließend.