Pressemitteilung des Philologenverbandes Baden-Württemberg (PhV BW) zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zur Unzulässigkeit des Reisekostenverzichts von verbeamteten Lehrkräften in Baden-Württemberg

24. Oktober 2018

 

Ralf Scholl: „Wichtige und über­fäl­lige Entschei­dung für die Lehrkräfte“

Mit großer Befriedi­gung reagiert der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg (PhV BW) auf das vom Bun­desver­wal­tungs­gericht in sein­er Pressemit­teilung Nr. 73/2018 am 23.10.2018 verkün­dete Urteil zur Unzuläs­sigkeit des Reisekosten­verzichts von ver­beamteten Lehrkräften in Baden-Würt­tem­berg.

Der PhV-Vor­sitzende Ralf Scholl stellt fest: „Dass Lehrkräfte sich bei der Beantra­gung ein­er Klassen­fahrt entschei­den mussten: ‚Bezahle ich meine Fahrtkosten ganz oder teil­weise aus eigen­er Tasche, oder fällt die Fahrt aus, weil die Schule meine Kosten nicht bezahlen kann?’, das gab es nur im reichen Baden-Würt­tem­berg. Gut, dass das jet­zt vom Tisch ist!”

Der PhV-Vor­sitzende führt weit­er aus: „Beschä­mend für Baden-Würt­tem­berg ist, dass dieses Urteil über­haupt nötig war, weil das Land die schon 2012 vom Bun­de­sar­beits­gericht fest­gestellte Unzuläs­sigkeit des Reisekosten­verzichts für Lehrkräfte im Arbeit­nehmerver­hält­nis nicht auf seine ver­beamteten Lehrkräfte über­tra­gen wollte, solange kein höch­strichter­lich­es Urteil für die Beamten vor­lag.”

Zur Umset­zung dieses Urteils fordert der Philolo­gen­ver­band die sofor­tige Änderung des Antrags­for­mu­la­rs für Reisekosten im Schul­bere­ich: „Die Verzichtsmöglichkeit muss weg­fall­en.“ Außer­dem spricht sich der PhV für die sofor­tige, dauer­hafte Erhöhung der Etat­mit­tel für außerun­ter­richtliche Ver­anstal­tun­gen aus, damit die vollen Reisekosten der Lehrkräfte für alle päd­a­gogisch sin­nvollen und genehmigten Ver­anstal­tun­gen auch zur Ver­fü­gung ste­hen. Dafür müssten vom Finanzmin­is­teri­um dauer­haft zusät­zliche Mit­tel bere­it­gestellt wer­den, erst­ma­lig bere­its im Nach­tragshaushalt für 2018/19.

Hin­ter­grund

Außerun­ter­richtliche Ver­anstal­tun­gen (Stu­di­engänge, Land­schul­heime, Klassen- und Stu­di­en­fahrten usw.) müssen jew­eils einzeln vor­ab von der Schulleitung genehmigt wer­den. Eine Genehmi­gung darf nur erteilt wer­den, wenn aus­re­ichende Etat­mit­tel für die Fahrt vorhan­den sind. Dies ist auf­grund viel zu niedriger Etats aber prak­tisch nie der Fall.

Deswe­gen mussten ver­beamtete Lehrkräfte — das sind in Baden-Würt­tem­berg ca. 95 % aller Lehrerin­nen und Lehrer — bish­er auf dem Antrags­for­mu­lar für eine Fahrt ankreuzen, ob sie ganz oder teil­weise auf die ihnen zuste­hen­den Fahrtkosten verzicht­en.

Im Bun­de­sar­beits­gerichts-Urteil (BAG – 9 AZR 183/11) vom 16.10.2012 wurde eine solche Abfrage — ver­bun­den mit dem Junk­tim, dass son­st die Fahrt ver­mut­lich aus­fall­en müsse — für Lehrkräfte im Arbeit­nehmerver­hält­nis für unzuläs­sig erk­lärt:

1. Ein Land ver­stößt als Arbeit­ge­ber gegenüber seinen angestell­ten Lehrkräften gegen § 242 BGB, wenn es Schul­fahrten grund­sät­zlich nur unter der Voraus­set­zung genehmigt, dass die teil­nehmenden Lehrkräfte for­mu­la­rmäßig auf die Erstat­tung ihrer Reisekosten verzicht­en.

2. Diese generelle Bindung der Genehmi­gung von Schul­fahrten an den „Verzicht“ auf die Erstat­tung von Reisekosten stellt die angestell­ten Lehrkräfte unzuläs­sig vor die Wahl, ihr Inter­esse an ein­er Reisekosten­er­stat­tung zurück­zustellen oder dafür ver­ant­wortlich zu sein, dass Schul­fahrten, die Bestandteil der Bil­dungs- und Erziehungsar­beit sind, nicht stat­tfind­en.

In der Urteils­be­grün­dung des BAG-Urteils find­et sich darüber hin­aus u.a. der Satz:
Stellt die nor­ma­tiv generell zuge­lassene Prax­is gegenüber Beamten aber eine unzuläs­sige Recht­sausübung dar, muss dies für die auf der­sel­ben nor­ma­tiv­en Rechts­grund­lage basierende gle­iche Prax­is gegenüber Angestell­ten eben­so gel­ten.

Damit war spätestens ab 2013 die Unzuläs­sigkeit ein­er solchen Verknüp­fung der Genehmi­gung ein­er Fahrt mit dem Verzicht auf Reisekosten durch die beglei­t­en­den Lehrkräfte auch für Beamte evi­dent:
Mit der (…) Prax­is des beklagten Lan­des, die an der Klassen­fahrt teil­nehmenden Lehrer darüber entschei­den zu lassen, ob sie auf die Erstat­tung ihrer Reisekosten verzicht­en, damit die Schul­ver­anstal­tung stat­tfind­en kann, führt es die Lehrer in einen unzu­mut­baren Inter­essen­wider­stre­it. (…) Das beklagte Land ver­stößt mit dieser Kop­pelung treuwidrig gegen seine gegenüber den Lehrkräften beste­hende Für­sorgepflicht.

* * *

An den Gym­nasien des Lan­des Baden-Würt­tem­berg wer­den über 300.000 Schü­lerin­nen und Schüler unter­richtet. Der Philolo­gen­ver­band Baden-Würt­tem­berg e.V. (PhV BW) ver­tritt mit rund 9.000 im Ver­band organ­isierten Mit­gliedern die Inter­essen der Lehrerin­nen und Lehrer an den 462 öffentlichen und pri­vat­en Gym­nasien des Lan­des.

Im gym­nasialen Bere­ich hat der Philolo­gen­ver­band BW sowohl im Haupt­per­son­al­rat beim Kul­tus­min­is­teri­um als auch in allen vier Bezirksper­son­al­räten bei den Regierung­sprä­si­di­en die Mehrheit und set­zt sich dort für die Inter­essen der ca. 30.000 Lehrkräfte an den Gym­nasien des Lan­des ein.

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